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Hintergrund: Der Pelzhandel in Deutschland, Europa und weltweit


12345646_572872859529838_4325736298469604169_nLobbyvereine wie das Deutsche Pelzinstitut versuchen Jahr für Jahr ein Comeback der Pelzindustrie herbeizureden. Tatsache ist, die ewige Wiederholung von “Pelz ist wieder im kommen” macht die Aussage nicht wahrer. Denn wie Ulf Naumann in der TIERBEFREIUNG 89 zeigt, sinken die Absätze der Pelzindustrie in Deutschland seit Jahren kontinuierlich. Gleichsam sinkt die Anzahl der Kürschner*innen und der pelzverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Im Text wird allerdings auch gezeigt, dass die Pelzproduktion im weltweiten Maßstab (noch) nicht im Abwärtstrend befindet.

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Das Deutsche Pelzinstitut

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Lange schien das Deutsche Pelzinstitut (DPI), Sprachrohr und PR- Organ der deutschen Pelzindustrie, in der Bedeutungslosigkeit verschwunden gewesen zu sein. Im Bereich “Aktuelles” -> “News” stammt die letzte Meldung auf deren Homepage aus dem Oktober 2013, drei Meldungen später landet man schon im Jahre 2010. Im Bereich “Presse” findet man die letzte Aussendung von Anfang 2015, darunter Aussendungen aus 2013.

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Die Selbstdefinition des DPI gibt an, der Zweck des Vereins bestehe darin, den Pelz und damit die gewerblichen Interessen der Vereinsmitglieder in allen Bereichen zu fördern. Das haben sie in den letzten zwanzig Jahren dadurch gemacht, indem sie dem Pelz in Deutschland stets ein angeblich furioses Comeback bescheinigt haben, obwohl die Statistiken unabhängiger Stellen (Statistisches Bundesamt, Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) während dieses Zeitraums einen dramatischen Einbruch des Umsatzes an Pelz und Pelzwaren angegeben haben. Die Hoffnung schien zu sein, durch Positivmeldungen und angeblich steigende Akzeptanz von Pelz in der Bevölkerung den Handel mit Pelzwaren in Deutschland wieder anzukurbeln. Zwar haben diverse Medien diese Aussagen übernommen, genutzt hat es dennoch nichts.

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Kritik des DPI am Bundesrat

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Unjüngst veröffentlichte das DPI eine Presseerklärung über das Verbreitungsnetzwerk ots. Darin kritisiert es, dass der Bundesrat am 10.07.2015 ein Verbot von Pelztierfarmen in Deutschland fordert. Dass sich der Bundesrat negativ zur Pelztierhaltung in Deutschland äußert ist nicht neu, bereits 1992 bezeichnete er die Pelztierhaltung als tierschutzwidrig. Es dauerte bis 2006, bis der Gesetzgeber endlich ein Gesetz verabschiedete, das in mehreren Stufen Anpassungen der Haltungsform vorschrieb. Dies machte das Betreiben einer Nerzfarm zusehends unwirtschaftlich. Während es Mitte der 2000er noch mehr als 30 Nerzfarmen in Deutschland gab, war die Zahl bis 2011, als die zweite Stufe der Verordnung in Kraft trat, auf 28 gesunken.

Ab der zweiten Stufe wurde es ernst für die “Farmer_innen”. Inzwischen existieren noch acht Nerzfarmen in Deutschland, die gegen die Verordnung klagen – bisher ohne Erfolg. Wenn die dritte Stufe der Verordnung im Dezember 2016 in Kraft tritt, die unter anderem ein “Schwimmbecken” pro Käfig (1 m2 Grundfläche, 30 cm Wassertiefe) für die gefangengehaltenen Nerze vorschreibt, dürfte das Ende der Farmen besiegelt sein. Symbolisch wichtig wäre allerdings tatsächlich ein Verbot von Nerzfarmen, mit der Begründung, sie seien generell “tierschutzwidrig”, aber dazu wird sich der Gesetzgeber mutmaßlich nicht durchringen oder erst, wenn es keine Farmen mehr in Deutschland gibt.

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Nachfrage nach Pelz in Deutschland, Fakten vs. Meinungsmache

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In der erwähnten Presseerklärung des DPI stand auch folgender Satz: “Es gibt eine stabile Nachfrage nach Pelzen in Deutschland.”. Das DPI ist offensichtlich inzwischen moderater geworden, denn bisher wurde Pelz immer mit einem Boom in Deutschland in Verbindung gebracht, was einer schlichten Lüge gleichkam. Doch wie schaut es mit der nun moderater klingenden “stabilen Nachfrage nach Pelzen in Deutschland“ aus? Dazu ein paar Zahlen:

Noch im Jahr 2001 betrug der Umsatz von Pelzwaren in Deutschland 230,6 Mio. Euro, 2010 waren es noch 80,3 Mio. Euro und 2013 gar nur noch 7,4 Mio. Euro. Während der Umsatzrückgang im Bereich Pelzwaren zwischen 2009 und 2012 stagnierte (siehe Grafik), nahm der Umsatz von 2012 auf 2013 wieder duetlich ab. Damit sinkt der Umsatz von Pelzwaren von 2001 bis 2013 um insgesamt 75 Prozent! Ebenso sinkt die Anzahl der Unternehmen von 585 (2001) und 225 (210) auf nur noch 196 (2013) (Quelle: Quelle: BTE, Statistisches Bundesamt / Umsatzsteuerstatistik). Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks nahm die Anzahl der Kürschner*innen zudem von 926 (2010) auf 612 (2010) ab.

 

Diagramm: Entwicklung in der deutschen Bekleidungsindustrie, Bereich Pelzwaren

Quelle: BTE, Statistisches Bundesamt / Umsatzsteuerstatistik

Pelzindustrie-Entwicklung-1

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Rolle der Tierrechtsbewegung

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Auch das DPI kann sich der Realität inzwischen nicht mehr mit geschönten Zahlen verweigern. Zwar nimmt der Umsatz nicht mehr so stark ab wie noch Mitte der 2000er, aber das ist wohl der Tatsache geschuldet, dass am Ende eines Niedergangs immer eine Restkonstante bleibt. Trotzdem betrug der Rückgang von 2012 auf 2013 immer noch knapp 30 Prozent; von einer stabilen Nachfrage kann also keine Rede sein, auch wenn dies in den Jahren 2009 bis 2012 so schien. So schreibt denn auch das BTE: “Hersteller von […] Pelzwaren mussten teilweise zweistellige Umsatzrückgänge verkraften.”

Der allgemein starke Rückgang des Pelzumsatzes in Deutschland geht nicht zuletzt auf die Tierrechtsbewegung zurück, die durch zahlreiche Kampagnen in den 1990ern und 2000ern aufgeklärt und die großen Modehandelsketten unter Druck gesetzt haben. Der Erfolg ist offensichtlich. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich der zuletzt stattgefundene Umsatzrückgang von 2012 auf 2013 tendenziell weiter fortsetzt oder ob sich der Pelzhandel auf ein im Vergleich zu früher niedrigem Niveau in Deutschland nun einpendelt.

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“Pelztierhaltung” in der Europäischen Union

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In der EU gibt es – neben Deutschland – ebenfalls weitere Fortschritte, die “Pelztierhaltung” einzudämmen: Komplette Pelzfarmverbote gibt es in folgenden Ländern (Zusammengetragen von Peta e.V.):

  • Großbritannien
  • Österreich
  • Wallonien (Region in Belgien) seit 1. Januar 2015
  • Niederlande (komplett ab 2024, Fuchs- und Chinchillafarmen bereits verboten)
  • Bulgarien
  • Kroatien (ab 2017)
  • Bosnien und Herzegowina (ab 2018)
  • Slowenien seit 1. Januar 2015

Effektive Einschränkungen von Pelzfarmen gibt es in den Ländern:

  • Schweiz (aktuell keine Pelzfarmen wegen vergleichsweiser hoher Anforderung)
  • Dänemark (Verbot von Fuchsfarmen ab 2023, aber extrem viele Nerzfarmen)
  • Schweden (aktuell keine Fuchsfarmen wegen hoher Anforderungen, aber Nerzfarmen)

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Man sieht, es tut sich was, wenn auch zu wenig und teilweise mit langen Übergangsfristen. Zudem scheint es keine wahrnehmbaren Bestrebungen zu Einschränkungen oder Verboten in den Ländern zu geben, in denen ein bestimmter Bereich der “Farmhaltung” besonders hohen wirtschaftlichen Stellenwert hat, wie beispielsweise bei Nerzfarmen in Dänemark oder Fuchsfarmen in Finnland. Dass dies trotzdem geht, zeigt das Beispiel Niederlande, in dem der Bereich “Nerzfarmen und Nerzfelle” von relativ großer Bedeutung war und ist. Zwar ist die Übergangsfrist lang (ein Versuch, das Verbot bereits ab 2018 einzuführen, scheiterte), aber es setzt ein Zeichen dafür, dass es möglich ist, auch gegen eine starke Lobby ein Verbot durchzusetzen. Bei den anderen Ländern bleibt zu hoffen, dass lokale Organisationen und Gruppen weiter Druck ausüben und die betroffenen Länder erkennen, dass sich in anderen europäischen Ländern etwas bezüglich Einschränkungen und Verboten tut. Internationale Vernetzung solcher Organisationen und Gruppen kann bezüglich dieses Themas von Vorteil sein.

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Problem: Weltweiter Pelzhandel

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Der weltweite Pelzhandel nimmt zu. Dies liegt an aufstrebenden Schwellenländern wie China und Russland, die beide einen allgemein steigenden Absatzmarkt für Luxusgüter verzeichnen. Beide sind derzeit weltweit die größten “Abnehmer” von Fellen, die auf den großen internationalen Pelzhandelsauktionen verkauft werden. Angeblich stieg der allgemeine weltweite Umsatz von Fellen von 10,9 Milliarden US Dollar im Jahr 2001/2002 auf 15,6 Milliarden im Jahr 2011/2012. Diese Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, da sie vom Interessensverband International Fur Trade Federation (IFTF) stammen, dürften aber den generellen Trend widerspiegeln. Fuchs- und Nerzfelle sind zahlenmäßig die beiden größten Märkte im internationalen Pelzhandel. In einer Bachelorarbeit der Helsinki Metropolia University of Applied Sciences, in der der Autor den internationalen Pelzhandel auf 57 Seiten analysiert, findet man die folgenden Zahlen, die allerdings auch wiederum von Interessensverbänden stammen; in diesem Fall vom dänischen Saga Furs, einem der größten Auktionshäuser für Pelzfelle weltweit, gegründet durch die Pelztierzüchter_innen Dänemarks, Norwegens, Schwedens und Finnlands.

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Diagramm: Weltweite Nerzfell”produktion”

Quelle: Saga Furs

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Während die Anzahl für den Pelzhandel umgebrachter Nerze mit leichten Schwankungen von 26,4 Millionen im Jahr 1992 auf 53,3 Millionen im Jahr 2010 kontinuierlich stieg, stieg die Anzahl umgebrachter Füchse mit starken Schwankungen von 2,7 Millionen im Jahr 1992 auf 4 Millionen im Jahr 2010. Bei Nerzen bedeutet dies eine Zunahme um das Doppelte, bei Füchsen um rund 50%.

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Diagramm 3: Weltweite Fuchsfell”produktion”

Quelle: Saga Furs

Entwicklung-Pelzindustrie-3

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Allerdings könnte man bei Füchsen auch sagen, dass es von 1996 bis 2010 eine Abnahme von rund 20% gab – die Schwankungen sind stark. Nach Zahlen von Saga Furs (2000 – 2010) brachen die erzielten Preise für Nerzfelle in den Jahren Jahren 2005 – 2008 stark ein und legten dann rasant von 20 Euro pro Fell 2008 auf 43 Euro pro Fell 2010 zu. Bei Fuchsfellen gab es einen Einbruch der erzielten Preise von 2000 bis 2002, diese blieben dann in dem Bereich und legten von 2008 bis 2010 ebenfalls rasant von knapp unter 50 Euro pro Fell auf knapp unter 120 Euro pro Fell zu. Die Zunahme der erzielten Preise lässt in beiden Fällen befürchten, dass sich dies auch als Anreiz auf eine Ausweitung der Pelz”produktion” in den Folgejahren ausgewirkt hat.

 

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Strategie?

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Bei all den trockenen Zahlen darf man nicht vergessen, was dies konkret für die betroffenen Tiere bedeutet: Abermillionen (zusätzliche) Tiere werden quälerisch in “Farmen” eingesperrt, leben ein rund siebenmonatiges qualvolles Leben zu mehreren auf engstem Raum mit Drahtgitterböden und werden am Ende der “Saison” in der Regel per CO/CO2 Vergasung oder Stromschlag umgebracht.

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Doch kann man beispielsweise als deutsche lokale Tierschutz- oder Tierrechtsgruppe – die ich hier mal zusammenfasse, da diese beiden Strömungen beim Thema Pelz weitgehend gleiche Ziele haben – überhaupt etwas gegen fernab liegende und gegebenenfalls aufstrebende Märkte in China oder Russland tun? Ich befürchtet nein.

Tierrechtsaktivist_innen sind schon hierzulande mit der hier herrschenden Tierrechtsproblematik ausgelastet. Während es in China und Russland vereinzelt Tierschutzgruppen gibt, sind Tierrechtler_innen absolute Mangelware. Aber auch die vorhandenen Tierschutzgruppen haben ein geringes Gewicht. Als sinnvoll erscheinen mir strategische Partnerschaften großer internationaler Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen mit lokalen Gruppen in den betreffenden Ländern zu sein, um diesen dabei zu helfen, den Stellenwert von Tieren in diesem Fall zum Thema “Pelz” in ihren Ländern zu stärken, beispielsweise durch Kooperationen bei Undercoveraufnahmen und Verbreitung dieser, durch Unterstützung beim Einbringen von Gesetzesinitiativen, durch Unterstützung beim Aufbau eines Netzwerkes von Gruppen oder durch Gründen eigener lokaler Gruppen dieser großen Organisationen (sollten sich Leute vor Ort dafür finden), um die Bevölkerung der betreffenden Länder in Bezug auf Tiere zu sensibilisieren.

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Allerdings sollte dies nicht unter dem Motto geführt werden, bei “denen” ist ja alles viel schlimmer als bei uns, denn erstens sind auch die Zustände “bei uns” im gesamten Tierrechtsbereich katastrophal genug und zweitens führt es zu rassistischen Einstellungen einiger Tier*aktivist_innen(oder fördert diese), wie die Vergangenheit gezeigt hat. Wir haben genug Dreck vor der eigenen Haustür. Das Ziel auf den Pelzhandel bezogen sollte sein, lokale Kräfte, die in einem Land kaum Gewicht haben, vor Ort zu unterstützen, was nur große internationale Organisationen schaffen können. Die deutsche Tierrechtsbewegung kann sich an sich nur auf Verhältnisse in Deutschland konzentrieren oder gegebenenfalls noch versuchen, mit anderen europäischen Tierrechtsgruppen in Kontakt zu treten, um sich auszutauschen.

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Man sollte sich aber nicht durch weltweite Zahlen entmutigen lassen. Das Problem haben viele soziale Bewegungen. Während beispielsweise die deutsche Anti-Atomkraftbewegung auch hauptsächlich nur in Deutschland etwas bewirken konnte, durfte sie sich nicht dadurch entmutigen lassen, dass zahlreiche neue AKWs vor allem in Schwellenländern geplant und gebaut wurden und werden. Global denken – lokal handeln scheint die sinnvollste Strategie für lokale Aktivist_innengruppen in vielen sozialen Bereichen zu sein, um sich nicht zu verausgaben oder vorschnell auszubrennen, so auch in der Tierrechtsbewegung.

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Aktualisierte und leicht gekürzte Version des im Magazin TIERBEFREIUNG 89 erschienen Texts von Ulf Naumann


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