Das Comeback der Pelzindustrie Ende der 90er Jahre
„Wir sind offen gesagt enttäuscht, daß C&A Deutschland sich wieder für Gewalt gegen Tiere ausspricht, galt Ihr Unternehmen für uns doch jahrelang als Vorzeigemodehaus für verantwortungsbewußte Verkaufspolitik.“ Zugegeben stimmt dieser Satz des ersten Schreibens der Offensive an das Unternehmen C&A am 1. März 2000 anlässlich ihres Wiedereintritts in den Pelzverkauf nicht ganz. Lederbekleidung, Wolle und Seide waren leider nie aus dem Verkaufssortiment von C&A genommen worden. Gewalt gegen Tiere war für C&A somit nie tabu. Doch mit C&A’s Neueröffnung seiner Pelzabteilungen im Winter 1998 überschritten sie eine von der Tierrechtsbewegung umkämpfte untere Grenze der Wirtschaftsethik.
Proteste gegen Pelz reichen in der BRD bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. In den 90er Jahren galt dieser Kampf, nach zahlreichen Demonstrationen, Kundgebungen, Informationsveranstaltungen, Aktionen des Zivilen Ungehorsams und Befreiungen von sogenannten Pelztieren aus den Zuchtanlagen als für die Tiere weitgehend gewonnen. Die Beziehung von Menschen zu den anderen Tieren, vornehmlich zu den sogenannten Nutztieren, wurde von der sich formierenden Tierrechtsbewegung immer wieder durch Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit zur Diskussion gestellt, ihre Ausbeutung in ihrem gewaltigen Ausmaß der Gesellschaft bewusst gemacht. Je nach gesellschaftlicher Relevanz, die ein tierliches „Produkt“ hatte, wurde die Kritik der TierrechtlerInnen an der systematischen Verfolgung, Gefangennahme, Entwürdigung, Folter und Ermordung von Tieren unterstützt oder abgelehnt. Beim Thema Pelz konnte sich die Tierrechtsbewegung der Unterstützung ihrer Forderungen durch einen Großteil der Gesellschaft sicher sein. Die Pelzindustrie schrieb rote Zahlen. „Pelzfarmen“ wurden aufgelöst, Pelzgeschäfte geschlossen. Respekt gegenüber tierlichen Individuen schien zumindest beim Thema Pelz gesichert.
Doch Ende der 90er Jahre meldete sich die Pelzindustrie zurück, schwimmend auf einem gesellschaftlichen Trend, der bis heute Mainstream zu sein scheint: Anti-Moral sei nun „geil“ in der Fun-Generation, Ich-Gesellschaft; Egozentrismus auf Kosten anderer, „weil ich es mir wert bin“, und die anderen keinen Eigenwert mehr haben, nur noch Mittel zum Zweck der eigenen Interessen sind – diese sozialen Konstrukte werden von der Wirtschaft beständig reproduziert.
Doch noch war die Akzeptanz für Pelz nicht wieder hergestellt. Zu sehr sah man dem Pelz an, das es jemand war, ein tierliches Individuum. Also wurde geschoren, gefärbt und gestückelt, bis man Pelz nicht mehr von Plüsch und damit jemand nicht mehr von etwas unterscheiden konnte.
Die neuen Strategien der Pelzindustrie
Aber dies war nur eine Strategie der Pelzindustrie. „Materialmix“ war eine andere. Pelzapplikationen, Pelzbesätze, Pelzverbrämungen sind jedoch keine Materialien, sondern zerstückelte Tierkörper. Doch durch die Vermischung von teilweise echten Pelzen mit teilweise Webpelz für Krägen und anderen Verbrämungen wurden die KundInnen absichtlich in die Irre geführt. Mit den Pelzapplikationen macht die Pelzindustrie heute wahrscheinlich mehr Umsatz, als durch den Verkauf von Pelzjacken und Pelzmänteln.
Die Wiedereröffnung der Pelzabteilungen bei C&A Ende der 90er Jahre sowie der Boom an Pelzbesätzen brachte zeitgleich mehrere Tierrechtsgruppen dazu, zu Protesten gegen diesen tierfeindlichen Trend aufzurufen. Im Frühjahr 2000 schlossen sich diese und weitere Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet zur Offensive gegen die Pelzindustrie zusammen mit dem Ziel, der Gewalt gegen Tiere in der Pelzindustrie ein Ende zu setzen, den Pelzhandel in all seinen Erscheinungsformen zu stoppen.
Im Gegensatz zu den Protesten der 80er und 90er Jahre, die sich vor allem an die PelzträgerInnen und Pelzgeschäfte wandten, richtet die Offensive ihren Protest in erster Linie an diejenigen, die Tiere zur „Pelzerzeugung“ auf sogenannten Pelzfarmen gefangen halten und umbringen und an diejenigen Bekleidungskonzerne und Warenhäuser, die Pelzbekleidung und Bekleidung mit Pelzapplikationen verkaufen. Natürlich wendet sich die Offensive auch an die politischen EntscheidungsträgerInnen, die sich weder auf bundesdeutscher noch auf europäischer oder gar globaler Ebene auf ein Verbot von Pelztierfarmen einigen wollen. Allein neue Anforderungen an die Haltungsbedingungen von Tieren auf Pelztierfarmen wurden hier und da diskutiert (siehe Politische Initiativen auf dieser Website).
Die Strategie der Offensive: Campaigning gegen die Pelzindustrie
Die Offensive versucht ihre Ziele mittels Kampagnen zu erreichen – eine Strategie, die bereits in England die Pelzindustrie empfindlich getroffen hat (siehe Strategie auf dieser Website). 1999 fanden mehrere Demonstrationen vor Nerzfarmen statt. Im gleichen Jahr wurde die Kampagne gegen die Nerzfarm Manfred Roßberger in Willich-Schiefbahn (siehe www.schliesst-die-nerzfarm-rossberger.de) gestartet. Es waren teilweise die gleichen TierrechtsaktivistInnen, die im darauffolgenden Jahr die Kampagne gegen den Pelzverkauf bei C&A organisierten.
C&A-Filialen gab es bundesweit sowie in einigen anderen europäischen Ländern. Die Kampagne wurde somit zu einer Kampagne, an der sich Tierschutz- und Tierrechtsgruppen sowie Einzelpersonen des gesamten Bundesgebiet beteiligen konnten. Unterstützung bekam die Kampagne zudem aus Österreich.
Bundesweite Aktionstage, Run-Ins in die Pelzabteilungen von C&A, eine Ankettaktion und Dachbesetzung bei einer C&A-Filiale, kontinuierliche Demonstrationen vor C&A-Filialen, eine Demonstration vor der Konzernzentrale in Düsseldorf, Unterschriftenaktionen, das Versenden von Beschwerdekarten an C&A. Email-, Telefon- und Faxaktionen gegen C&A und vieles mehr erhöhten den Druck auf das Unternehmen. Zu einem Gespräch mit der Offensive war man dort jedoch nicht bereit. Anschreiben wurden ignoriert. Das Kampagnenteam wurde allein davon in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen sich an geltende Gesetze und Richtlinien halte. Diese untersagen aber eben keine Gewalt gegen Tiere (siehe Rechtliche Bestimmungen auf dieser Website). Das machte die Offensive auch auf dem Informationsmaterial klar, einem eigens für die Kampagne gegen C&A erstellten Flugblatt, das in ganz Deutschland und in Österreich verteilt wurde.
C&A’s Reaktion: Konfrontation statt Dialog
C&A ging auf Konfrontation: Ein brennendes C&A-Logo auf der Website der Kampagne nahm C&A zum Anlass, Anzeige gegen TierrechtlerInnen zu erstatten; die Website wurde gesperrt, das Verfahren dauert noch an. Die Deutsche Städte-Medien GmbH wurde von C&A dazu gebracht, den Tierversuchsgegnern München e.V. die Plakatwand zu kündigen, weil sie dort auf den Pelzverkauf bei C&A hinwiesen unter „Wir lassen morden für die Mode – Ihre C&A Pelzabteilung“. Andere AktivistInnen der Kampagne wurden für ihre Aktionen des Zivilen Ungehorsams gegen C&A von diesem Unternehmen angezeigt und schließlich vom Gericht zu Geldbußen verurteilt.
Doch all die verzweifelten Versuche C&A’s, die Kampagne zu schwächen, hatten keinen Erfolg. Die Proteste gingen weiter. Mittels einer Internetmailingliste und eines Rundbriefs wurden die Aktiven über die Geschehnisse und Termine der Kampagne informiert. C&A erlitt einen empfindlichen Imageschaden, während der Pelzverkauf nach eigenen Angaben des Unternehmens nicht gut lief. Auch eine eigene Schulung ihrer MitarbeiterInnen mittels einer „Pelzfibel“, die u.a. Tips geben sollte, wie mit KundInnenkritik gegenüber Pelz umzugehen sei, erhöhte die Akzeptanz von Pelz bei den KundInnen offensichtlich nicht. Der Boykottaufruf der Offensive hatte Erfolg.
C&A steigt aus dem Pelzverkauf aus
„C&A wird in Zukunft keine Pelze mehr fuehren. Wir wünschen Ihnen alles Gute fuer das neue Jahr.“ Was hier am 10.01.2001 von C&A in einer Email an eine Privatperson mitgeteilt wurde, wurde im Februar 2001 öffentlich: C&A steigt aus dem Pelzverkauf aus.
„Das Unternehmen C&A wird sich in den kommenden Monaten wieder aus dem Verkauf von Pelzbekleidung zurückziehen. Damit beendet C&A die Testphase des Verkaufs von Pelzbekleidung.“
Natürlich verneinte das Unternehmen, dass die Kampagne der Offensive sie zu diesem Wiederausstieg bewogen hat. Der Ausstieg wurde jedoch bislang nur teilweise vollzogen. Zwar schloss das Unternehmen die Pelzabteilungen, Pelzverbrämungen an Jacken, Mänteln, Schals, Pullover blieben aber bestehen. C&A verkündete im Oktober 2002 gegenüber dem WDR ab 2003 nun endlich ganz pelzfrei zu sein. Die Offensive wird dies genau beobachten und bei Nichteinhaltung ihre Kampagne gegen C&A wieder aufnehmen.