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Gründung und Organisation einer Tierbefreiungsgruppe – Erste Schritte


Finden von Gleichgesinnten

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Eines gleich vorweg. Die Tierrechtsbewegung ist keine homogene Masse. Sie setzt sich aus Menschen aus verschiedenstem gesellschaftlichen Hintergrund zusammen. Nicht jede kann mit jedem. Gemeinsamkeiten wie vegan zu leben oder Tierrechte zu vertreten, also die Rechte von Tieren auf Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit, müssen noch lange nicht dazu führen, dass Menschen auch gemeinsam Arbeit in einer Tierrechtsgruppe machen können. Eine große Strömung innerhalb der Tierrechtsbewegung rekrutiert sich aus ehemaligen TierschützerInnen – oder besser Haustier-SchützerInnen – Menschen also, die früher in klassischen Tierschutzvereinen aktiv waren, die aber irgendwann den Widerspruch nicht mehr ertragen konnten, dass Hunde und Katzen umsorgt wurden, während beim Tierheimfest Schweineschnitzel und Kalbsfrikadellen gegrillt wurden. Diese Menschen sind häufig neben ihrem Tierrechts-Engagement eher unpolitisch oder kommen aus bürgerlichen Verhältnissen ganz im Gegensatz zu anderen TierrechtlerInnen, die aus einem linkspolitischen, anarchistischen Hintergrund kommen. Sie sehen Tierausbeutung als eines von vielen Übeln des kapitalistischen Systems. Sie wenden sich gegen hierarchische Strukturen im Großen wie im Kleinen und oft auch gegen den Staat an sich, weil sie ihn als Hindernis für ein selbst bestimmtes, freies Leben betrachten. Neben diesen Strömungen gibt es zahlreiche Facetten von TierrechtlerInnen, die aus den verschiedensten Gründen den Weg in dieses Umfeld gefunden haben. Viele kommen aus dem Umweltschutzbereich und kämpfen parallel gegen die Abholzung von Bäumen für neue Autobahnen. FeministInnen haben die Tiere als Leidensgenossen der Frau erkannt. Manche Menschen fühlen sich von Gott berufen, den Tieren zu helfen, andere sind wegen der Ausbeutung von Tieren aus der Kirche ausgetreten. Manche kaufen grundsätzlich nur biologisch erzeugte Lebensmittel, während andere genmanipulierten Tofu aus dem Asialaden bevorzugen und wieder andere ausrangiertes Obst aus dem Supermarkt-Container stibitzen, weil sie durch Einkaufen und Steuern Tierquälerei mitfinanzieren würden. Lange Rede, kurzer Sinn. Was gesagt werden soll ist: Wenn sich Menschen mit solch verschiedenen Ansichten in einer Gruppe zusammen schließen, um gemeinsam etwas für Tiere zu tun, dann birgt das ein gewisses Konfliktpotenzial auf verschiedenen Ebenen und erfordert ein hohes Maß an Toleranz, um effektiv arbeiten und etwas erreichen zu können.

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Am Anfang steht immer die Suche nach halbwegs Gleichgesinnten. Egal, ob ihr ganz neu einsteigt oder es euch in eurer alten Gruppe vielleicht aus besagten Gründen nicht mehr gefällt, zunächst ist Eigeninitiative gefragt. Das Medium Internet kann große Dienste erweisen. Viele Tierrechtsgruppen haben eigene Webseiten, auf denen sie sich vorstellen und von ihren Aktionen berichten. Manchmal werden Newsletter per E-Mail verschickt, aus denen ihr folgern könnt, wie aktiv eine Gruppe gerade ist. Wenn ihr euch keiner Gruppe anschließen, sondern eine eigene gründen wollt, dann versucht es einmal in einem der vielen Online-Foren. Frank von der Tierrechtsinitiative Köln (TIK) berichtet, dass dies recht viel versprechend sein kann: „Die TIK wurde inoffiziell in einem Eiscafe gegründet. Zuvor hatten sich einige Leute aus Köln und Umgebung im Internet-Forum vegan.de verabredet, um gemeinsam veganes Eis essen zu gehen. Dabei entstand dann die Idee, eine Tierrechtsgruppe für Köln zu gründen.“

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Eine andere Möglichkeit sind Anzeigen in Tierrechts- oder Tierschutzzeitungen, in denen ihr euch selbst vorstellt. Ihr könnt auch Aushänge in vegetarischen Restaurants, Imbissbuden oder in links-alternativen Szenetreffs machen. Der gute alte Kontaktzettel mit Telefonnummern-Streifen zum Abreißen hat schon so manche Freundschaft begründet. Erkundigt euch, wann große bundesweite Demonstrationen oder Veranstaltungen stattfinden. Hier stellen oft verschiedenste Tierrechtsgruppen an Infoständen ihre Arbeit vor. Vielleicht kennen auch die OrganisatorInnen der Veranstaltung Menschen aus eurer Gegend. „Ich wollte vor zwei Jahren unbedingt zur Großdemo gegen das Tierversuchslabor Covance in Münster“, erzählt Mellox aus Karlsruhe. „Auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit bin ich auf die Tierrechtsaktion Rhein-Neckar gestoßen und so kam der erste Kontakt zustande.“ Auch eine spezielle Tierausbeutungseinrichtung kann Anlass zur Gründung einer Gruppe sein. In Gemeinden etwa mit einer Pelzfarm oder in denen eine neue Mastanlage gebaut werden soll, können sich Interessengemeinschaften bilden, die zunächst gegen dieses eine Objekt vorgehen und später noch weitere Ziele verfolgen. Andrea aus Bonn rief zu Studiumszeiten den Arbeitskreis gegen Tiermissbrauch an der Uni Bonn ins Leben. „Vor allem in Gesprächen und durch Mund-zu-Mund-Propaganda kamen Leute dazu, die so ähnlich gedacht haben wie wir“, erinnert sie sich. „Aber wir haben auch Infostände in der Mensa oder bei Erstsemester-Einführungen gemacht.“

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Was wollen wir eigentlich machen?

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Je mehr Leute sich einer neuen Tierrechtsgruppe anschließen, umso schwieriger wird eine Schwerpunkt-Findung bei der aktiven Arbeit. Viele Leute haben viele Meinungen. Einige wollen große Demos organisieren, andere lieber durch Vorträge an der Uni theoretische Grundlagen vermitteln. Manche wollen vielleicht Bürgermeister oder Landrat mit einer Unterschriftenliste von der Schließung des örtlichen Tierversuchslabors überzeugen, während andere auf der Suche nach MitstreiterInnen sind, um in dieses Labor einzubrechen und die Tiere zu befreien. Wieder andere wollen vielleicht gar nichts gegen Tierversuche unternehmen, weil sie denken, dass die Verbreitung des Veganismus’ in der Bevölkerung der einzige Weg zum Ziel ist und sich deshalb darauf konzentrieren wollen. Meinungsverschiedenheiten sind aber natürlich kein Nachteil, solange sich die Gruppenmitglieder Toleranz gegenüber anderen Meinungen zeigen. Jetzt gilt es, Struktur in die Sache zu bringen. Optimalerweise werden Verantwortungsbereiche auf einzelne Personen übertragen. Sonst besteht die Gefahr, dass am Ende alles von einem oder zwei Menschen organisiert und bestimmt wird. Sie fühlen sich dann überlastet oder nicht ausreichend unterstützt, während die anderen sich entweder nicht eingebunden fühlen und kaum noch Engagement zeigen, „weil es ja eh immer dieselben machen“. Ergebnis ist dann Frustration auf allen Seiten. Allerdings, und das kann Kevin, ein langjähriger Aktivist, der an der Gründung von fünf Gruppen beteiligt war, bestätigen, „kann nie verhindert werden, dass es Menschen gibt, die mehr machen als andere. Egal ob eine Gruppe nun basisdemokratisch organisiert ist, oder ob es ein Verein mit Vorsitzenden etc. ist.“

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