OGPI INFO

Kein ruhiges Hinterland für die Pelzindustrie


40 Teilnehmer_innen bei Demonstration gegen “Pelzmodeschau” in Stendal am 11. Juli 2009

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Internationale Kampagnen gegen die Pelzindustrie, wie die Escada-Campaign, bieten für Aktivist_innen, die nicht gerade aus großen städtischen Ballungsräumen kommen, wenig Beteiligungsmöglichkeiten. Nichtsdestotrotz gilt auch außerhalb von Großstädten zu intervenieren, um der Pelzindustrie keine Rückzugsräume zu bieten. Wie dies aussehen kann, zeigt eine Kundgebung von Tierbefreier_innen gegen das “Pelz- und Ledergeschäft Tonke” in Stendel (Sachsen-Anhalt). Am 11. Juli versammelten sich 40 Demonstrant_innen, um gegen eine zeitgleich stattfindende “Modenschau” zu demonstrieren. Eine Übersicht über Proteste gegen die Pelzindustrie findet ihr in unserem Aktionsarchiv. Wir dokumentieren im Folgenden einen Aktionsbericht einer Antispe-Gruppe aus Magdeburg:

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Kundgebung gegen Pelz- und Ledermodenschau in Stendal

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Am 11.07.2009 protestierten wir sowie TeilnehmerInnen aus Stendal und Umgebung gegen eine an diesem Tag stattfindende Pelz- und Ledermodenschau des Pelz- und Ledergeschäftes Tonke in Stendal. Insgesamt nahmen an der Kundgebung etwa 40 Personen teil. Wegen Auflagen durch die Polizei durften wir nicht direkt gegenüber bzw. in der Nähe des Pelzgeschäftes protestieren, uns wurde ein ca. 200 m entfernter Veranstaltungsort, der Schützenplatz, zugewiesen. Somit waren wir leider nicht in Sichtweite des Geschäftes und der BesucherInnen der Modenschau. Allerdings durften zwei AktivistInnen Anti-Pelz/Leder-Flyer in unmittelbarer Nähe zum Laden verteilen, das Rufen von Parolen war aber untersagt. Die Flyerverteilaktion und die Kundgebung wurden jeweils durch Polizei überwacht. Wir erfuhren auch, dass eine Mitarbeiterin des Pelz- und Ledergeschäftes Tonke gegen 9.30 Uhr viele der ankommenden DemoteilnehmerInnen mit einer Digicam gefilmt hatte.

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Es wurde ein Pavillion aufgebaut, zwei Transparente aufgehängt und Anti-Pelz/Leder-Plakate aufgestellt. Für die Verpflegung der TeilnehmerInnen mit veganem Essen und Getränken war gesorgt. Leider kamen an dieser Stelle nur wenige Passanten vorbei, von denen sich aber der Großteil interessiert zeigte und Flyer mitnahm. Als günstig erwies sich, dass wir uns an einer Hauptstraße nahe einer Ampelkreuzung befanden, so dass Flyer an die haltenden AutofahrerInnen verteilt werden konnten. Untermalt wurde die Kundgebung durch einen Redebeitrag und Musik. Für Aufmerksamkeit sorgte außerdem ein von uns aufgestelltes, schwarzes Holzkreuz mit davor auf dem Fußweg ausgebreiteten und mit Kunstblut versehenen Pelzteilen und Pelzmantel sowie ein von uns hergestelltes und bemaltes Gipsmodell eines gehäuteten Nerzes. Dieses Ensemble sollte den Zusammenhang verdeutlichen, dass für jedes Stückchen Echtpelz leidensfähige Lebewesen sterben müssen.

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Nachfolgend einige Auszüge aus unserem Redebeitrag:

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„Wir demonstrieren heute hier, weil der Pelz- und Lederladen Tonke Stendal eine Pelz- und Ledermodenschau veranstaltet. Noch immer werden die grausame Haltung der Tiere und der brutale Mord an diesen in hohem Maße herabgespielt oder gar nicht erst thematisiert. Tonke wirbt zum Beispiel mit dem stark verharmlosenden Motto: „Damit ihr Pelz und Leder wieder lacht!“ Die Firma bietet auf ihrer Website auch die Reinigung von Pelz- und Ledersachen an.

Wir sind hier, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Tiere, deren Felle und Häute hier zur Schau gestellt werden, ganz sicher nichts zu Lachen hatten. Besonders schockierend ist die Selbstverständlichkeit, mit der leidensfähige Lebewesen verdinglicht werden. Durch diese Verdinglichung werden unnötig grausame Handlungen, Ausbeutung und Mord legitimiert. Tiere werden nur als Waren im kapitalistischen Produktionsprozess klassifiziert, aus denen soviel Profit wie möglich erwirtschaftet werden soll. (…)

Auf Pelztierfarmen werden z.B. Nerze, Iltisse, Füchse, Chinchillas gehalten, welche sich in freier Wildbahn in einem Revier von ca. 10-20 km² bewegen. In den Farmen stehen ihnen im Vergleich dazu Kleinstkäfige zur Verfügung, die z.B. Nerze auf 0,3m², Füchse auf 1m² und Chinchillas auf 0,4m² einpferchen. Diese Käfige sind oft aus Draht und übereinander gestapelt, was den Stress und das Verletzungsrisiko für die Tiere erhöht und die hygienischen Bedingungen stark verschlechtert. Diese extremen Haltungsbedingungen verursachen Verhaltensstörungen wie z.B. stereotype Bewegungsabläufe, Kannibalismus und Selbstverstümmelung. Eine angemessene Versorgung mit Nahrung und Wasser findet oft nicht statt, so kann z.B. die Wasserversorgung im Winter einfrieren. Eine weitere Belastung für die geruchsempfindlichen Tiere sind die Massen an Exkrementen, die zudem noch in den Boden versickern und so das Grundwasser verseuchen. Viele Pelztierfarmer sind aufgrund der Kontamination schon zu Geldstrafen verurteilt worden.

Nach ca. 7-9 Monaten werden die Tiere ““geerntet““ und auf grausamste Weise getötet. Zu diesem Zweck werden sie gewaltsam aus den Käfigen gezerrt. Nerze werden oft zu mehreren in kleine Kisten gesperrt und vergast. Bis der Erstickungstod eintritt, kann sehr viel Zeit verstreichen. Füchse werden durch Elektroschocks getötet, in dem ihnen gewaltsam Elektroden in Mund und After eingeführt werden. Die Tötung erfolgt oft im Beisein der Artgenossen, was diese zu Tode verängstigt. Die Kadaver werden aufbereitet und z.B. zu Kosmetikprodukten oder Tiermehl verarbeitet, welches dann auch in diesen Betrieben verfüttert wird.

Auch außerhalb von Pelztierfarmen wird für Nachschub gesorgt. So werden freilebende Tiere oft mit Fallen gefangen, die zu Knochenbrüchen führen und ihnen anderweitige schwere Verletzungen zufügen. Bis der Fallensteller zurückkommt vergehen oft Tage. Um sich zu befreien gehen die Tiere sogar soweit, dass sie sich ihre Extremitäten abbeißen. Gelingt es ihnen nicht sich zu befreien, tötet der Fallensteller sie z.B. durch das Eintreten des Brustkorbes oder indem er ihnen das Genick bricht.

Besonders grausam ist die Pelzgewinnung im asiatischen Raum, vor allem in China, wo immer noch Millionen von Hunden und Katzen totgeknüppelt, mit Drahtschlingen erdrosselt und ausgeblutet werden. Um die Herkunft zu verschleiern werden oft Fantasienamen verwendet, wie z.B. Maopee, Bergkatze, Goyangi, Genotte oder für Hunde „Asiatischer Wolf“, „asiatischer Waschbär“, „Dogue de Chine“, „Loup d’Asie“. (…)

Ein spezieller Fall von Tierausbeutung ist die Produktion von Leder, weil viele Menschen der Meinung sind, da es ohnehin als Abfallprodukt entsteht, könne es auch verwertet werden. Was diese Menschen nicht bedenken ist, dass sie durch den Kauf von Lederwaren die Ausbeutung und Schlachtung von Tieren rentabler machen und somit einen langen Leidensweg unterstützen. Davon profitieren insbesondere Massentierhaltungsbetriebe. Nicht nur, dass die Tiere in diesen Betrieben unter grausamsten Bedingungen dahinvegetieren, sie müssen auch Kastration, Brandmarkung, Kupierung von Schwänzen und Hörnern ohne Betäubung, sowie lange qualvolle Transporte in die Schlachthäuser erleiden. Betroffen sind hauptsächlich Rinder, allerdings auch Schweine, Pferde, Ziegen, Lämmer, Schafe, sowie Hunde und Katzen (vornehmlich aus Asien). (…)

All diese Grausamkeiten sind nur möglich, weil es immer noch Menschen gibt, die Leder- und Pelzprodukte kaufen. Es liegt in der Verantwortung jeder einzelnen Person dieser Industrie die Grundlage zu entziehen. Dies ist nicht einmal besonders schwierig, da es sowohl für Pelz- als auch für Lederprodukte günstige, modische Alternativen gibt. Jede Menge Schuhe, Jacken und Accessoires bestehen z.B. aus Baumwolle, Leinen oder synthetischen Stoffen.“

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Die Kundgebung begann um 10 Uhr und wurde von uns gegen 14 Uhr beendet, nachdem die Pelz- und Ledermodenschau ebenfalls zu Ende war . Es ergab sich für uns noch die Möglichkeit, mit zwei Mitarbeitern des Pelz- und Ledergeschäftes Tonke zu sprechen. Sie meinten, dass Ledermode den Hauptteil ihrer Einnahmen ausmachen würde, der Handel mit Echtpelz würde immer schlechter laufen und rentiere sich nicht mehr.

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Auf der Plattform „TermineMD“ nahm später auch die Inhaberin des Pelz- und Ledergeschäftes, Frau C. Tonke, zu unserer Anti-Pelz/Leder-Kundgebung Stellung, allerdings auf unverständliche und oft beleidigende Art und Weise. Sie schrieb z.B., dass wir verbreitet hätten, dass das Geschäft Pelztiere zur Zucht auf dem Hof halten würde, was natürlich absurd ist und von unserer Seite nie behauptet wurde. Fakt ist, dass in dem Geschäft Pelzwaren verkauft und verarbeitet werden, die auch von Pelztierfarmen stammen. Frau Tonke beharrte auch darauf, dass Ihr Unternehmen „tierlieb“ sei und sie keine Tiere ermorden würden. Dem entgegen spricht aber die Tatsache, dass sie durch den Verkauf von Pelzen am Mord von Pelztieren beteiligt sind und diesen somit in Auftrag geben. Weiterhin schrieb sie, dass wir, die DemoteilnehmerInnen wohl nicht richtig arbeiten könnten und uns deshalb woanders beweisen müssten, indem wir gegen irgendetwas demonstrieren. Wir sollten doch „einfach mal richtig schuften gehen“. Dazu ist nur zu sagen, dass es sich beim Großteil der Anwesen-den um StudentenInnen handelte, die in ihrer Freizeit noch ehrenamtlichen und gemein-nützigen Arbeiten nachgehen. Die Ausführungen von Frau Tonke wirkten teils etwas verwirrt, so schrieb sie, dass Pelz und Leder doch das gleiche, also Tierhäute, sind und weshalb wir dann nur gegen Pelz demonstrieren würden. Da hat sie wohl nicht mitbekommen, dass sich unsere Kundgebung sowohl gegen Pelz, als auch gegen Leder richtete. Sie wollte dann auch DemoteilnehmerInnen gesehen haben, die ihrer Meinung nach Leder trugen, was aber nicht der Wahrheit entspricht. Wir bezweifeln, dass Frau Tonke dies aus der Entfernung beurteilen konnte, zumal z.B. Kunstlederschuhe von vegetarian shoes, wie sie von sehr vielen getragen wurden, eben täuschend „echt“ aussehen, aber kein Leder sind. Letztendlich wollte sie vegan lebenden Menschen noch den Sinn für Hygiene absprechen, da es ihrer Meinung nach keine tierproduktfreien Hygieneartikel gäbe. Dies grenzt schon an Frechheit, denn in der Tat sind zahllose vegane und tierversuchsfreie Hygieneprodukte erhältlich. Frau Tonkes Kommentare sprechen eigentlich für sich, außerdem zeugen sie von Ignoranz, Unkenntnis und einer deutlich antispeziesistischen Grundhaltung, wie sie besonders für TierausbeuterInnen typisch ist.

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Wir werden die Menschen weiterhin aufklären, damit sie keine Leder- und Pelzwaren mehr kaufen bzw. tragen, um deren Handel für Geschäfte wie Tonke gänzlich unrentabel zu machen.

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Antispe Magdeburg


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