Mit dem 12.12.2011 werden sich die Bedingungen der Haltung von Nerzen, Füchsen, Bibern, Chinchillas und Marderhunden einschneidend verändern. Die Haltungsverordnungen sehen dann wesentlich größere Käfige vor, was eine Schließung eines Großteils der noch betriebenen „Pelzfarmen“ in Deutschland zur Folge haben könnte. Bekannt ist, dass nicht nur in Aachen-Orsbach (Bericht), sondern auch die zwei Nerzfarmen in Neuenkirchen (Niedersachsen), in Holdorf (Niedersachsen) und Waldfeucht-Selsten (Nordrhein-Westfalen) ihren Betrieb zum kommenden Jahr einstellen werden bzw. bereits eingestellt haben. Dies haben Recherchen des Vereins „die tierfreunde e.V.“ in Erfahrung gebracht. Einzig Jürgen und Joseph Brokamp, Betreiber von zwei Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern und einer in Nordrehin-Westfalen ließen verlauten, dass sie den Betrieb weiterführen werden. Jürgen Brokamp kündigte zudem an, die ab dem 12.12. geforderte Vergrößerung von Käfigen nicht umzusetzen und eine gerichtliche Auseinandersetzung zu suchen (Zeitungsbericht).
.
Veränderungen der Haltungsverordnungen
.
Die rechtlichen Bestimmungen der Haltung so genannter Pelztiere sind in der „Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung“ festgelegt. 2006 wurde eine überarbeitete Version dieser beschlossen. So sollten bspw. die Käfige vergrößert werden oder Nerze Zugang zu Wasserbecken erhalten. Obwohl das Gesetz im Dezember 2006 in Kraft trat, konnten die Betreiber_innen von Pelzfarmen langjährige Übergangszeiten für sich geltend machen. Erst nach 5 Jahren – also im Dezember 2011 – ist die Vergrößerung der Käfiggrundflächen gesetzlich bindend. Und erst nach 10 Jahren (2016) müssen alle weiteren Veränderungen wie Wasserbecken, Beschäftigungsmöglichkeiten oder die Vergrößerung der Käfighöhen umgesetzt werden.
.
Während Tierschutzorganisationen wie der Deutsche Tierschutzbund glaubten einen „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ zu erkennen, bleiben Reaktionen aus Tierrechts- und Tierbefreiungskreisen begründeter Weise zurückhaltend. Zum einen kann nicht von einer „Verbesserung“ der Lebensbedingungen der betroffenen Tiere gesprochen werden. Im Gegenteil: Zweck der Haltung bleibt die Nutzung und Tötung nicht-menschlicher Individuen. Diese wird weiterhin gesetzlich legitimiert und ist damit nichts anderes als der Ausdruck eines gewaltsamen Mensch-Tier-Verhältnisses. Zum anderen können Gesetzesänderungen unter anderen politischen Vorzeichen schnell rückgängig gemacht werden.
.
Der Niedergang der Pelzindustrie
.
Jedoch hat die deutsche Pelzindustrie und ihre Lobby jede Initiative zur Rücknahme der Veränderungen vermissen lassen. Und das obwohl entsprechende Bestrebungen unter einer Bundesregierung, die in ihrer politischen Programmatik vor allem an ökonomischen Interessen ausgerichtet ist, wohl erfolgsversprechend gewesen wären. Stattdessen sehen sich die Betreiber_innen nun genötigt, die Käfiggrößen um ein Mehrfaches zu vergrößern. So muss jedem Nerz künftig eine Grundfläche von einem Quadratmeter zugestanden werden. Damit verbunden sind immense Mehrausgaben und ein Weiterbetrieb unter weit weniger günstigen ökonomischen Bedingungen.
.
Dass es die Pelzindustrie offenbar nicht einmal vermag, den Versuch zu unternehmen die Verschlechterungen ihrer Existenzbedingungen abzuwenden und gesellschaftliche Mehrheiten für ihre mörderischen Interessen zu mobilisierung, weist auf die desolate Situation hin, in der sich die gesamte Branche befindet. Und diese Situation wurde nicht erst durch die Überarbeitung der Nutztierverordnung herbeigeführt, sondern steht in direktem Zusammenhang mit einer zielgerichteten politischen Praxis der Tierbefreiungsbewegung. Die auf die Absatzmärkte von Pelzprodukten zielenden Kampagnen von Tierbefreier_innen und Pelzgegner_innen konnten in den vergangenen Jahren die wirtschaftlichen Bedingungen für die Pelzindustrie deutlich verschlechtern. Auch die Einstellung der „Fur and Fashion“-Messe, nach jahrelangen Protesten, oder wiederholte Freilassungen von Tieren aus der Gefangenschaft auf den „Pelzfarmen“ können als Garanten für den Niedergang der Pelzindustrie betrachtet werden.
.
Schließt alle Pelzfarmen!
.
Die Voraussetzungen sind günstig, in absehbarer Zeit alle „Pelzfarmen“ zu schließen und damit eines der bedeutensten Segmente der Pelzindustrie zu zerschlagen. Die Offensive gegen die Pelzindustrie geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der 20 noch betriebenen „Pelzfarmen“ vor dem Aus stehen. Jedoch sind diese Entwicklungen kein Selbstläufer, sondern erfordern von den aktiven Gruppen und Initiativen weiteres Engagement:
- Zum ersten ist es gegenwärtig bei mehr als 10 „Farmen“ ungeklärt, welche Konsequenzen sie für die Zukunft ziehen werden. Daher ist es notwendig ab sofort zu recherchieren, ob die Anlagen in den jeweiligen Regionen weiter betrieben werden und entsprechende Informationen der Offensive zukommen zu lassen.
- Zum zweiten ist absehbar, dass einzelne Betreiber_innen Käfige bewusst nicht vergrößern und stattdessen Strafen in Kauf nehmen. Es ist daher taktisch sinnvoll, die Einhaltung der Haltungsverordnungen zu überprüfen, um bei Verstößen zuständige Behörden wie Veterinärämter auf die „Pelzfarmen“ anzusetzen und damit die Daumenschrauben der Betreiber_innen weiter anzuziehen.
- Zum dritten ist es notwendig, die Proteste gegen die „Pelzfarmen“ weiterzuführen und wenn möglich zu intensivieren. Einerseits um den Betreiber_innen jeden öffentlichen Rückhalt streitig zu machen und anderseits um eine praktische Entscheidungshilfe für die Schließung der Betriebe zu liefern.
.
Allen Verlautbarungen der Pelzlobby zum Trotz: Es gibt in Deutschland kein Comeback der Pelzbranche. Diese Industrie ist gesellschaftlich isoliert, in einem wirtschaftlich desolaten Zustand und im Niedergang begriffen. Aktivist_innen der Tierbefreiungsbewegung sollten sich aufgerufen sehen, diesen Prozess zu beschleunigen und dafür sorgen, dass die Schließung aller deutschen Pelzfarmen einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Zerschlagung der Pelzindustrie darstellt.
.
Weitere Informationen:
Liste der in Deutschland betriebenen Pelzfarm (Stand Dezember 2011) | Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung | Bericht zur Schließung der Nerzfarm Aachen-Orsbach | Bericht der Borkener Zeitung
No Comments, Comment or Ping