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Mord und Gewalt sind reine Geschmacksache – Pro-Escada Demo in Hamburg


In vielen Städten finden regelmäßig Proteste im Rahmen der Escada-Campaign statt. Am vergangenen Samstag, dem 8. August, sorgte aber eine Aktion für besondere Verwirrung: Mehrere Aktivist_innen forderten nicht den Pelzhandel, sondern die Demonstrationen gegen den Luxusmodekonzern sofort zu beenden. Biederer Ernst oder eine Überidentifikationsaktion? Lest mehr in einem Aktionsbericht, der auf Indymedia mit zahlreichen Fotos veröffentlich wurden:..

Am Samstag den 08. August staunten die AktivistInnen, die regelmäßig vor der Hamburger ESCADA Filiale in der Nobelstraße „Neuer Wall“ demonstrieren, nicht schlecht: Ca. eine halbe Stunde nach Demo-Beginn tauchten plötzlich 3 GegendemonstrantInnen auf, die sich direkt neben der Anti-Pelz-Demonstration platzierten. Die äußerst arrogant auftretenden und dementsprechend gekleideten Personen forderten lautstark, ESCADA doch endlich in Ruhe zu lassen, das Unternehmen habe auf Grund seiner schlechten wirtschaftlichen Lage ohnehin genug Schwierigkeiten.

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Sie betonten auch immer wieder, was sie allgemein von Protesten gegen das Ausbeutungsverhältnis von Menschen gegenüber Tieren hielten: Gar nichts. Tiere seien dafür dar, ermordet zu werden, das habe man ohnehin schon immer so gemacht. Hieraus und aus der zum Glück im Kapitalismus herrschenden Freiheit leiteten sie auch das Recht ESCADAs ab, Pelzbekleidung zu verkaufen. Ihren Forderungen verleihten sie außerdem mit mitgebrachten Schildern, auf denen Parolen abgedruckt waren, Nachdruck. Die Upper-Class-AktivistInnen erwiesen sich dabei äußerst resistent gegenüber kritischer Argumentation seitens der TierbefreierInnen. Eine Pro-ESCADA-Demonstrantin betonte unter mehrmaligen Hinweisen auf ihren Pelzkragen, dass sie sogar stolz sei, Pelz zu tragen, und sich dies auch nicht von dahergelaufenen, unordentlich gekleideten Links- und Tierextremisten nehmen lassen wolle. Überhaupt verwiesen die ESCADA-VerteidigerInnen mehrmals darauf, dass die PelzgegnerInnen doch erst mal richtig arbeiten gehen , ihren Sozialneid woanders ausleben lassen und erst mal ihre Lederschuhe ausziehen sollten (welche sie natürlich nicht trugen). Es entwickelte sich ein recht lauter Schlagabtausch zwischen den TeilnehmerInnen der regulären Demo gegen ESCADAs Pelzhandel und den 3 Tierausbeutungs-ApologetInnen, der zunehmend von stehengebliebenden PassantInnen amüsiert bis irritiert beobachtet wurde. Es kam zu Anfeindungen gegenüber den Pelz-VerteidigerInnen und zu Solidaritätsbekundungen gegenüber beiden Seiten. Eine Passantin war geradezu begeistert über die Aktion. Sie sei richtig genervt von den regelmäßigen Demonstrationen vor ESCADA, schließlich wohne sie im Neuen Wall. Am Anfang hätte sie das ganze ja noch unterstützt, aber irgendwann sei auch mal gut. Ein wenig misstrauisch stellte die dann jedoch die Frage, ob das ganze vielleicht doch eine Show-Einlage sei. Die nobel gekleideten ESCADA-Yuppies zeigten sich empört: Show? Sie seien doch anständige deutsche Bürger, die von ihrem Recht Gebrauch machen wollten, ein Unternehmen und den ganzen Neuen Wall gleich mit vor wild-gewordenen, langhaarigen Jugendlichen zu schützen. Überhaupt sollte man Demonstrationen im Neuen Wall gleich ganz verbieten.

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.Nach ca. 1 Stunde Gefecht zwischen Tierbefreierinnen und Pro-ESCADA-DemonstrantInnen zogen letzere sichtlich erschöpft so schnell wie sie erschienen waren wieder von dannen und hinterließen bei den Hamburger AktivistInnen einige Fragen: Greift ESCADA nach all den rechtlichen Versuchen die Proteste zu verhindern etwa nun zur letzten Möglichkeit, Leute zu bezahlen, dass diese sich mit PelzgegnerInnen anlegen? Oder ist diese Aktion ein Ausdruck für eine möglicherweise doch noch recht starke Kundenbindung? Wie ist es soziologisch zu erklären, dass Menschen aus einer gehobenen Schicht zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Demonstration teilnehmen und dabei einen Habitus annehmen (rumpöbeln, beleidigen), der nicht den Sitten ihres Herkunftsmilieus entspricht? Werden andere Städte folgen und wird sich jetzt eine Bewegung zur Verteidigung ESCADAs vor arbeitslosen, ideologiebehafteten Jugendlichen gründen?

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